Dienstag, 25. Oktober
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Der Text: Lk 14, 11
Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.
Ein Impuls
Heute gibt es ein Intermezzo. Eine Geschichte, die ich einmal geschenkt bekommen und für den Blog leicht gekürzt habe. Die Verfasserin ist unbekannt. Es geht um erste und letzte Plätze, mit einer guten Portion augenzwinkerndem Humor:
Vom letzten Platz
Eines seligen Tages wurde der Himmel wieder zu einem großen Freudenmahl geladen. Alle Heiligen, Seligen und Geretteten sollten daran teilnehmen.
Da ergab es sich, dass der Herr plötzlich zu einer unaufschiebbaren Visite auf die Erde eilen musste, weil der Papst überraschend in Madagaskar eingetroffen war. Wie immer reiste auch die Gottesmutter Maria mit Jesus mit.
Der Herr hatte aber seinem Stellvertreter Petrus ausdrücklich nahegelegt, das Festmahl auch in seiner Abwesenheit abzuhalten. Im Himmel sei schließlich dasselbe möglich, was man den Menschen schon zweitausend Jahre lang zumute. Petrus erhielt noch kurz seinen Segen, und dann war der Herr verschwunden.
Seufzend, aber gehorsam, machte sich Petrus zusammen mit Johannes an die Aufstellung einer richtigen Tischordnung. Nach mehreren Tagen angestrengtesten Grübelns war sie endlich vollendet.
Eine große Anzahl von Tischen, die der hl. Joseph herangeschleppt hatte, wurde nach genauer Anweisung des Petrus in Form eines gigantischen Hufeisens – so, wie es bei einem Festmahl üblich ist – aufgestellt. Wären nicht einige Heilige wegen Patronatsverpflichtungen und eine Selige sogar wegen ihrer eigenen Heiligsprechung entschuldigt gewesen, hätte sicher die Tafel nicht ausgereicht.
Auch so wurde Petrus von düsteren Vorahnungen geplagt. Würden viele unangesagte Gäste eintreffen? Würde Streit zwischen Tischnachbarn aufkommen? Würde der Wein reichen? Nach einigem Zögern beauftragte er den hl. Lukas mit dem Malen der Tischkarten.
Der Tag des Mahles brach an. Schon seit dem Morgengrauen waren die heiligen Martha und Anna mit dem Aufkochen beschäftigt. Der hl. Franziskus schälte freiwillig Kartoffeln. Petrus, Stephanus und Laurentius, die das Empfangskomitee bildeten, sollten die Gäste einzeln begrüßen.
Und es zeigte sich, dass in der Folge die allerschlimmsten Ahnungen des Petrus von der Wirklichkeit noch weit übertroffen wurden. Streitereien über die Plätze begannen. Nur darüber war man sich einig, dass in der Mitte des Hufeisentisches zwei Plätze für Jesus und Maria frei bleiben müssten. Die übrige Tischordnung war in kürzester Frist Makulatur.
Links vom Herrn sollte ein Papst sitzen; das war immerhin klar. Aber da Petrus andere Aufgaben hatte, rangen Leo der Große und Gregor der Große heftig um seine Nachfolge. Johannes XXIII. sah ihnen belustigt zu und machte zu Philipp Neri hinüber mehrere boshafte Bemerkungen.
Neben Marias Platz sollte ein Vertreter der protestantischen Kirchen sitzen dürfen. Aber im Nu war ein lautstarker Streit zwischen Melanchthon, Zwingli und Calvin im Gang, ob es bei ihnen überhaupt so etwas wie einen Ehrenvorsitz geben könne. Luther, auf den sich alle hätten einigen können, saß in der Küche und würzte den Salat.
Der hl. Dominikus beschwerte sich bei Petrus heftig, dass er, obwohl er der weitaus Ältere sei, hinter dem hl. Ignatius von Loyola zu sitzen gekommen sei. Außerdem finde er es unerträglich, so viele Ketzer am himmlischen Tisch versammelt zu sehen. Der hl. Ambrosius beklagte sich darüber, dass er mit lauter Barbaren, Deutschen, Holländern und Engländern, an einem Tisch sitze und kein Wort verstehe. Einige heilige Franziskaner und Minoriten suchten verzweifelt nach einem heiligmäßigen Kapuziner und trafen endlich den Bruder Konrad, der gerade eine prächtige Lammkeule aus dem Saal geschmuggelt und einem Bettler gegeben hatte. Verschiedene italienische Heilige hatten vergessen, auf die Einladung zu antworten, und beschwerten sich, dass sie jetzt die hintersten Plätze, noch hinter den Franzosen, einnehmen mussten.
Als endlich alle ihren vorläufigen Platz gefunden hatten – einige hatten sich in dem allgemeinen Tohuwabohu einfach auf den nächstbesten freien Platz gesetzt – versuchte Petrus, sich mit lauter Stimme Gehör zu verschaffen. „Liebe Freunde!“ schrie er mehrmals in den entstandenen Aufruhr hinein, unterstützt von der Donnerstimme des Johannes. „Liebe Freunde! Wenn wir so weitermachen, blamieren wir uns und unseren Herrn gründlich. Soll so die Gemeinschaft der Heiligen aussehen, von der die Menschen jeden Sonntag reden? Ein Sauhaufen ist das, sonst gar nichts!“
Mit Mühe konnte wenigstens das Tischgebet, das der hl. Chrysostomus vorsprach, gehört werden. Der Aufruhr der Gefühle, der durch die neue Sitzordnung entstanden war, hatte sich noch längst nicht gelegt. Auch neue Streitpunkte tauchten jetzt auf. Thomas von Aquin und Bonaventura stritten sich um den Vorrang von Philosophie und Theologie, Katharina von Siena und Paulus um die Stellung der Frau in der Kirche.
Der Bauer Klaus von der Flüe bemerkte zum Fischer Andreas, dass heute wieder einmal zu viele Kleriker und Akademiker auf einem Haufen beisammen seien, wozu dieser nur stumm nickte.
Petrus und Johannes versuchten verzweifelt, die immer stärker zu werden drohende Unruhe zu besänftigen, gingen umher, trösteten die Enttäuschten, trennten die Streitenden und beruhigten die Aufgebrachten. Wie es Petrus befürchtet hatte, ging nun auch der Wein vorzeitig aus.
Da gab ein bis dahin unerkannt gebliebener Gast dem hl. Stephanus den Auftrag, alle erreichbaren Gefäße mit reinem Quellwasser zu füllen. Diese Weisung kam Stephan bekannt vor. Er eilte nicht, wie geboten, in die Küche, sondern zu Petrus und erzählte es ihm und dem Johannes. Beiden gingen sofort die Augen auf. Mit klopfendem Herzen und zitternden Knien eilten sie zum Herrn, eines strengen Tadels gewärtig.
Der Herr trug die blaue Montur eines Arbeiters, und sein Gesicht wie seine Hände waren verrußt. Als sich in Windeseile im himmlischen Saal herumsprach: „Der Herr ist wieder da!“, wurde es plötzlich ringsum totenstill.
Da sagte der Herr zu Petrus, Johannes und den anderen: „Liebe Freunde! Was seid ihr jetzt alle auf einmal so still geworden? Ihr braucht doch keine Angst vor mir zu haben! Oder habt ihr etwa ein schlechtes Gewissen? Verzeiht, dass ich mich nicht rechtzeitig zu erkennen gegeben habe. Aber unten auf Erden habe ich gesehen, dass meine Anwesenheit nach dem Hauptgottesdienst nicht mehr von Nöten war. So habe ich meine Mutter dort gelassen und bin schnell dahin gegangen, wo ich mich wohl fühle und gebraucht werde: zu den Kleinen und Missachteten. Von dort bin ich unmittelbar, ohne mich waschen zu können, zu euch heraufgeeilt, um noch ein wenig an eurem Liebesmahl teilnehmen zu dürfen. Aber wie ich sehe, seid ihr noch gar nicht richtig beisammen.
Warum macht ihr euch solche Sorgen und Probleme, wenn ich scheinbar nicht bei euch bin? Nur die Heiden kümmern sich, ob sie auch den richtigen Platz einnehmen. Ihr habt das doch nicht nötig im Reich Gottes. Stellt eure Tische zusammen und bildet einfach einen Kreis miteinander!“
Als sich alle so niedergelassen hatten, wie es der Herr gesagt hatte, fügte er noch hinzu: „Im Reich Gottes gibt es keinen Ersten und Letzten mehr. Alle sitzen wir in einem großen Kreis, und der Vater ist in unserer Mitte. Nicht, wo wir sitzen, soll unsere Frage sein, sondern wer links und rechts von dir und mir sitzt.“
Man hätte im Himmel eine Feder fallen hören, so still war es um Jesus geworden. Und man hörte Petrus leise zu Jesus reden: „Herr, wie lange hast du mit mir altem Esel eigentlich noch Geduld?“
Der Weg in die Gegenwart
Innehalten. Atmen. Wahrnehmen.
Vielleicht ist dir auch ein anderer Gedanke in den Sinn gekommen. Dann verweile dort.

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